LIEBER DR. STILL, WAS HABEN SIE SICH DABEI GEDACHT?

21/04/2019

Nach al den vielen Jahren, nach al den Veränderungen in unsere Geselschaft – kulturell, wirtschaftlich, pedagogisch, … - kann man sich die Frage stellen nach der Basispremisse um ein Osteopath zu sein. Viele fühlen sich dazu gerufen (manche schreien sogar) hierauf eine/die Antwort zu wissen. Wäre es nicht logischer es A.T. Still selber zu fragen? Letztendlich ist er ja der Grundsteinleger dieser Filosofie – oder nicht?

(Dieser Artikel wurde auf Deutsch schon 2008 verfasst und publiziert – der text ist etwas umfangreicher als die Englische und Niederländische Ausgabe)

Vorwort

 

A.T.Still behauptet, dass Osteopathie Anatomie, Anatomie und nochmals Anatomie ist. Diese Kenntnis zu erwerben ist keine leichte Aufgabe. Es sei denn, man beschränkt sich zu dem wesentlichen Teilen dieser Anatomie. Aber es stellt sich die Frage was aus anatomischer und osteopathischer Sicht als wirklich wesentlich gesehen werden kann. Geht es um die Kenntnisse der Knochen weil wir es mit Osteo-Pathie zu tun haben? Inwiefern ist ein Wort oder ein Bild repräsentativ um zu definieren was ein Osteopath kennen sollte um in dem Geiste von Stills Philosophie arbeiten zu können? Wir fragen es am besten Dr. A. T. Still selber. Wie? Es erscheint am einfachsten indem wir seine Literatur lesen und die ganze Anatomie studieren, und dies nicht nur aus Büchern.

 

Reduktionismus, Reformismus oder Renaissance?

 

Ob nun als eine einzige Zelle oder in Form eines komplexen Organismus, dass Leben ist eine große Faszination und die Natur zeigt sie uns in eine Vielzahl an Variationen. Ob eine einzige Zelle oder in Form des menschlichen Daseins, jedes dieser Lebensformen ist eine perfekte Kreation der Evolution. „A perfect machine“ nannte A. T. Still den menschlichen Körper. Diese menschliche Maschine ist schon seit der Mensch denken kann ein Schatz an Geheimnisse welche u.a. mit der Entwicklung der Wissenschaft langsam aber sicher geöffnet wurde. Ein Teilaspekt der entschlüsselten Geheimnisse wurde in der Anatomie gesammelt. Jeder der sich mit der Form des Menschen beschäftigt kommt somit nicht um die Anatomie herum. Jedoch, es ist mehr als offensichtlich, dass das Schaffen von stets neuerem Wissen im Laufe der Zeit die Kenntnisse der Anatomie verdrängt hat. Die Kenntnis der Anatomie wurde verdrängt durch andere Dimensionen des menschlichen Daseins (Molekularbiologie, Genetik, Zytologie, usw.). Was ist von dem ursprünglichen anatomischen Wissen im laufe der Zeit übrig geblieben? Es ist nur ein kleiner Prozentsatz. Die Tendenz des (anatomischen) Reduktionismus hat sich über viele Jahre hinweg weltweit in der Medizin breit gemacht [A,B,C,D,E]. Aber auch innerhalb der Osteopathie ist klar zu erkennen, dass die Anatomie einbußen musste und es hat den Anschein als hätte es sein Ende noch nicht erreicht. Viele behaupten, die Anatomie sollte Platz schaffen für anderes und mehr zeitgerechteres Wissen. Seit Still, so behaupten sie, hat die Wissenschaft sich weiter entwickelt und vieles an Neuem geschaffen. Es erscheint als würde man damit behaupten, dass die Erkenntnisse Stills überaltert wären, sie sind nicht mehr von dieser Zeit. Also, bitte Platz machen danke schön. Andererseits wird geprotzt mit der Behauptung die Osteopathie ist eine Philosophie, eine Kunst und eine Wissenschaft. Behauptet Dr. Still aber nicht, dass der Schlüssel zur Osteopathie in der Kenntnis der Anatomie liegt? Ist somit die Selbstverherrlichung im Reduktionismus mancher Osteopathen kein Gegenspruch zu dem was Still behauptet? Oder möchte man vielleicht am besten gleich die Osteopathie neu definieren durch zu bestimmen was an anatomische Kenntnis unbedingt benötigt ist um sich als Osteopath von anderen unterscheiden zu können? Führt uns der Reduktionismus zu einem Reformismus wobei die Osteopathie sogar völlig neu definiert werden sollte? Es stellt sich dabei die Frage was aus osteopathischer Sicht wirklich an wesentlich benötigte Anatomiekenntnisse gefragt ist. In verschiedenen Gesprächen und Diskussionen wird deutlich, dass es momentan zwei deutliche Strömungen gibt. Es gibt den Reduktionismus mit reformistischen Tendenzen welcher für die „neue zeitgerechte“ Osteo-Pathie lediglich zu Knochenkenntnis führt und es gibt die Strömung des osteopathischen Renaissancismus welche die gesamte Anatomie unddie Philosophie zurück in den Vordergrund stellt. Beide stehen senkrecht zu einander und des öffteren sogar frontal gegenüber einander. Eine Lösung ist noch nicht in Sicht. Die Behauptung der Reduktionisten, die „anderen“ wären wissenschaftlich überholt und nicht von dieser Zeit, ist ein Beispiel einer Überheblichkeit welche uns zeigt wiefern die Literatur von Still nicht gelesen, nicht verstanden oder anders interpretiert wird. Es wird argumentiert und dementiert. Beide Strömungen haben ihre Beispiele und Beweise um deren Behauptungen Kraft bei zu setzen und behaupten zu können: sie haben recht. Es stellt sich dabei die Frage: führt ein Reduktionismus welcher die Kenntnisse der Anatomie drastisch vereinfacht nicht ebenfalls zu einem Reduktionismus der Osteopathie? Es stellt sich die Frage: sollte die Osteopathie (anatomisch) neu definiert werden um Platz zu schaffen oder … sollte die Anatomie zurück ihren Platz bekommen den sie verdient, nämlich den ursprünglichen wissenschaftlichen Grundstein eines philosophischen Gebäudes? Um viele Diskussionen kurz zu schließen und Antworten auf viele Fragen zu bekommen, anstatt uns selber gleich auf die Brust zu klopfen, sollten wir nicht besser erst Dr. A. T. Still nach seiner Meinung fragen?

 

Lieber Dr. Still, ich habe da ein paar Fragen an Sie.

 

Für viele Osteopathen ist das Bild von Ihnen, wo Sie einen Femur in den Händen halten sicherlich ein bekanntes Bild. Auf dem Bild schauen Sie sich einen Femur an. Sie Dr. Still, der Grundsteinleger der Osteopathie, halten einen Knochen in den Händen. Lieber Dr. Still wollen sie uns mit dem Bild klarmachen, die „Osteo-Pathie“ habe etwas mit Knochen zu tun? Oder haben Sie mit dem Gedanken gespielt uns einen Bären auf zu binden? Welcher Gedanke kam ihnen eigentlich in den Sinn, in dem Moment wo diese Aufnahme gemacht wurde?

 

Aus ihre Literatur wissen wir, dass Sie die Anatomie viel Aufmerksamkeit gewidmet haben. In ihre Autobiographie geben Sie mehrmals zu erkennen welche Bedeutung Sie diese Erkenntnisse des menschlichen Daseins aus Sicht der Osteopathie schenken. So behaupten Sie z.B. „... I had devoted my attention to the study of anatomy [1]“. Das Wort “devoted” lässt dabei keine Zweifel wie wichtig ihnen diese Kenntnis erschien. Im gleichen Atemzug unterstreichen Sie den wesentlichen Wert der Anatomie für Ihr Gesamtwissen wobei Sie nicht nur auf die Literatur vertrauen, „...I had printed books, but went back to the great book of nature as my chief study. ... The best way to study man is to dissect a few bodies [1]“.Vielleicht, dass Sie, lieber Dr. Still, wenn man es genauer ausrechnet, ein bisschen übertrieben haben in der Anzahl der selbst sezierten Präparate. Vielleicht, dass Sie damit aber nur den Lesern klar machen möchten wie wichtig es ihnen ist, die Anatomie nicht nur aus Büchern sondern vielmehr auch am Menschen selber zu erlernen.

 

Vielleicht liegt es aber auch daran, dass Sie den Lesern klarmachen wollen, dass Sie die eigene Erfahrung mehr Vertrauen schenken anstatt es nur aus den Büchern ab zu lesen. Ihr Leben ist geprägt durch die eigene Observation. Schon am Anfang ihrer Autobiographie geben Sie dem Leser zu kennen: vertraue nur was du selber gesehen und erlebt hast. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich übrigens an einem Satz von Goethe [F]: Man braucht nicht alles selbst gesehen noch erlebt zu haben; willst du aber dem Anderen und seinen Darstellungen vertrauen, so denke, dass du es nun mit dreien zu tun hast: mit dem Gegenstand und 2 Subjekten [14]. Lieber Dr. Still, Sie vertrauen also vor allem Ihre eigene Observation. Sie schreiben z.B. „...I determined to go and see it was true before I told it to Dick... [2]“.Das Vertrauen in der eigenen Observation im Vordergrund zu stellen bezieht sich also auf viele Aspekte in Ihrem Leben. Auch und sicherlich was der Anatomie betrifft den Sie geben uns den Rat „...If he is observing he learns more .... for he has the great book of nature constantly spread before him [3]“. Sie behaupten sogar „... Osteopathy cannot be imparted by books only. Neither can it be taught to a person intelligently who does not fully understand anatomy both from books and dissection [5]”

 

Dr. Still, wir sehen auf dem Bild wie Sie sich einen Femur anschauen. Jedenfalls, dies glauben wir zu erkennen. Die Frage aber bleibt was Sie wirklich vor Augen hatten, welches Bild Sie sich in ihren Gedanken wirklich gebildet haben. Dieses Gedankenbild wird sicherlich mehr als nur einen Femur gewesen sein. Warum sonst behaupten Sie „...you all should be familiar with at least ninety per cent of all the human body before you enter our clinics [4]”. Hatten Sie, Dr. Still, nur einen Femur vor Augen? Mag sein, aber es ist nur schwer an zu nehmen. Die Abbildung mit dem Femur schließt sich ihre Aussage an „...with the theory firmly fixed in mind that the greatest study of man is man, I began with the skeleton [6]“. Wer nun aber behaupten würde, dieses Bild und diese Aussage rechtfertigen somit die persönliche Überzeugung, Osteopathie habe nur etwas mit Knochen zu tun ... Es stellt sich die Frage ob dies wirklich durch ihren Kopf gegangen ist als Sie sich damals so vor der Kamera gesetzt haben. Es ist nicht undenkbar aber schwer an zu nehmen. Es ist nur schwer an zu nehmen weil Sie deutlich zu erkennen geben „...you must be thoroughly acquainted with all that is meant by anatomy ...[7]“ wobei Sie in dem gleichen Satz neben dem Knochen auch auf die Muskeln, Nerven, Venen und Arterien hinweisen. In einem Ihrer Bücher drücken Sie dem Leser sogar aufs Herz, dass man mit Anatomie anfangen sollte und mit Anatomie enden sollte, Sie behaupten sogar… a knowledge of anatomy is all you want or need, as it is all you can ever use or ever will use in your practice, although you live one hundred years.[12].

 

Dear Dr. Still, what were you thinking? Sie behaupten es wäre völlig logisch, dass für jeden der sich mit der Anatomie vertraut gemacht hat, dass für jeden der diese Anatomie als ein Teil einer lebendigen Maschine verstanden hat, es klar ist, die Krankheit sei in Anführungsstriche nur ein Effekt? Sie wollen behaupten, diese Effekte entstehen durch Nerven die teils oder ganz und gar nicht gut funktionieren wodurch die Lebensflüssigkeit nicht gut fließen kann [8]? Und nun wollen Sie uns mit diesem Bild auf dem Sie sich einen Femur anschauen zu dem Gedanken verleiten: Osteopathie habe nur etwas mit Knochen zu tun? Lieber Dr. Still, was haben Sie sich nur dabei gedacht? Schon gut, es stimmt, dass Sie in dem Abschnitt ebenfalls behaupten „... It appears perfectly reasonable to any person born above the condition of an idiot [8].Dies würde somit bedeuten, dass wenn wir uns das Bild anschauen, wir bloß „nicht“ auf den Gedanken kommen sollten Sie würden sich nur einen Femur anschauen. Sollten manche zu dem Entschluss kommen die Osteopathie habe nur etwas mit Knochen zu tun, so haben diese laut ihrer Aussage anscheinend nicht viel von ihrer Philosophie [G] und ihrer Arbeit verstanden. 

 

Die Frage die sich dann aber stellt ist, sollten wir mit dem Gedanken spielen, Osteopathie habe „nur“ etwas mit Knochen zu tun, woher kommt dann dieser? Sicherlich nicht von Ihnen. Sie halten auf dem Bild zwar einen in den Händen, behaupten aber, „... One who does not know this preparatory branch is completely lost in our operating-rooms. He does not act from reason, because he does not know enough anatomy to reason from [9]”. Die Kenntnisse der Knochen ist sicherlich nicht als “enough” zu verstehen. In dem anschließenden Satz geben Sie sogar zu erkennen, dass die Kenntnisse der Anatomie eine Basis für Ihre Philosophie [G] bilden [9]. Sie behaupten sogar, es habe überhaupt keinen Sinn jemanden bei zu bringen wie Krankheiten aus Sicht der Osteopathie zu behandeln seien, wenn nicht diese Person erst sorgfältig die Anatomie beigebracht wurde [9].

 

Sie halten auf dem Bild zwar einen Femur, in ihre Autobiographie sagen Sie dem Leser aber „... When you are dealing with a diseased liver or any other organ or part of the body, remember the highest officer in command is the artery of nourishment, which must be assisted by the nerve of motion and the vein of renovation…[10])”; Bedeutet dies dann, die Osteopathie ist vielmehr als nur eine Reihenfolge von Knochen? Wenn Sie behaupten die Anatomie ist die Basiskenntnis schlicht hin welche zu ihre Philosophie führt, bedeutet dies dann, eine Anatomiekenntnis beschränkt auf Knochen sei eine Einschränkung für den Zutritt zu ihrer Philosophie? Liegt der Schlüssel zum Verständnis ihrer Philosophie somit bei der Anatomie in seine Gesamtheit? Es hat den Anschein.

 

Sie wollen uns anscheinend deutlich machen, wir sollten uns der gesamten Anatomie widmen damit wir ihre Philosophie und Arbeit verstehen können. Aber lieber Dr. Still, Sie selber wissen nur al zu gut, dass dies keine einfache Aufgabe ist. Behaupten Sie nicht selber „... I told him it was a gift of life long hard study, and the result of brain-work used in studying standard authors of anatomy [11]“. Jeder der sich den “principles” der Osteopathie eigen machen möchte, sollte sich also erst über die Anatomie beugen [11]. Sie sagen sogar den Lesern, … a knowledge of anatomy with its applications covers every inch of ground that is necessary to qualify you to become a skilful and successful Osteopath[12]. Aber wo liegt dann der Anfang? Sie geben einen unerfahrenen Schüler den Rat mit einem ganz bestimmten Buch an zu fangen  bevor Sie ihm weiterhelfen können die Osteopathie zu verstehen [11]. In „Philosophie of Osteopathy“ erklären Sie den Lesern sogar sehr ausführlich und eindeutig was Sie unter Anatomie verstehen, sowohl in Theorie wie auch in Praxis [13]. Aus dieser Beschreibung, was „Sie als Osteopath“ unter Anatomie verstehen, lässt sich eigentlich nur eines beschließen: viele der heutigen Osteopathen haben offensichtlich Ihre Literatur nicht gelesen sonst wurden sie begreifen wie wichtig die Anatomie für die Osteopathie ist.

 

Aber lieber Dr. Still, haben Sie auch nur die geringste Ahnung welche Vielzahl an Anatomiebücher uns Heute zur Verfügung steht? Gut, es mag sein, dass es mehr Bücher sind wie zu ihrer Zeit. In unsere heutige Gesellschaft besitzen wir sogar über Informationsquellen welche zu Ihrer Zeit noch völlig undenkbar waren. Nehmen wir nur als Beispiel die Vielzahl an Bildmaterial in Form von Video’s, DVD’s und CD’s. Oder man setzt sich vor dem Computer und „surft“ in seinem bequemen Sessel ein bisschen durch die elektronische Welt der Informationsverbreitung anstatt die Ärmel hoch zu krempeln und gegebenenfalls sich die Hände etwas schmutzig zu machen. Jedoch, trotz alle diese Möglichkeiten kommt man nicht darum hinweg zu erkennen, es sind die einfachsten Bilderbücher welche meistens ausgewählt werden. Und jedes Buch, in welcher Form dann auch, sei es gedruckt oder elektronisch, es ist und bleibt eine zweidimensionale virtuelle Welt. Nichts im Vergleich zu dem great book of nature as a chief study, ein dreidimensionales Buch aus welchem so viel zu erlernen ist. Ein Buch welches Sie von 1855 bis 1870 studiert haben [8] bevor Sie am 22 Juni 1874 die Flagge der Osteopathie in den Wind steckten. Fünfzehn Jahren Studienarbeit was heute sich viele auf die Eile mit einem Knochenwissen versuchen eigen zu machen indem sie sich ein paar Bilderbücher anschauen. Es ist schon bedenklich, finden Sie nicht?

 

Jedes dieser Bücher beginnt sein erstes Kapitel mit eine Beschreibung der Knochen. Wenn Sie also behaupten, Sie haben mit dem Knochen angefangen [6], so liegen diese Bücher im Sinne ihrer Aussage und … dem Bild auf dem Sie einen Knochen halten. Aber es hat allen Anschein, dass nicht Sie uns einen Bären aufbinden wollten. Die eigene Interpretation der Aufnahme wie Sie einen Knochen halten und sich anschauen, die Bedeutung welcher dieser Aufnahme Heute geschenkt wird, erscheint für manche ein Alibi zu sein für die eigene eingeschränkte Studie der Anatomie. Dies verleitet zu der Vermutung, wir binden uns selber einen Bären vor der Nase.

 

Lieber Dr. Still, was haben Sie sich nur dabei gedacht? Ein Bild sagt mehr als tausend Wörter. Hätten Sie damals gewusst zu welcher Interpretation und zu welche Schlussfolgerungen bei manchen dieses Bild Heute geführt hat, es stellt sich die Frage ob diese Aufnahme auch wirklich Ihre Zustimmung bekommen hätte. Aber gut, es ist lediglich ein Photo und welche Bedeutung wir es schenken ist letztendlich unsere eigene Verantwortung. Ob dies aber in Ihrem Sinne ist, dies ist fraglich. Das geben Sie ja deutlich in Ihre Literatur zu erkennen. Die besagt ja, der Schlüssel zu Ihrer Arbeit liegt in der Anatomie und dies ist mehr als nur die Kenntnis der Knochen und lässt sich nicht nur aus den Büchern ableiten. Also sagt ein Bild nicht unbedingt mehr als tausend Wörter und lassen sich Gedanken somit nur schwer von einem Bild ableiten. Es bleibt also die Frage bestehen: what were you thinking? Es wird wahrscheinlich wohl für immer ein Geheimnis bleiben was Sie sich in dem Moment gedacht haben. Eines erscheint aber klar, ja doch?

 

Quellennachweis:

 

(1)    A.T.Still, autobiography of A.T.Still, Seite 84

(2)    A.T.Still, Autobiography of A.T.Still, Seite 24

(3)    A.T.Still, autobiography of A.T.Still, Seite 34

(4)    A.T.Still, autobiography of A.T.Still, Seite 152

(5)    A.T.Still, autobiography of A.T.Still, Seite 162

(6)    A.T.Still, autobiography of A.T.Still, Seite 86

(7)    A.T.Still, autobiography of A.T.Still, Seite 152

(8)    A.T.Still, autobiography of A.T.Still, Seite 94

(9)    A.T.Still, autobiography of A.T.Still, Seite 162

(10)  A.T.Still, autobiography of A.T.Still, Seite 191

(11)  A.T.Still, autobiography of A.T.Still, Seite 126

(12) A.T.Still, philosophie of osteopathy, Seite 16

(13) A.T.Still, philosophie of osteopathy, Seite 17-19

(14) W.Goethe, Maximen und Reflexionen – Naturwissenschaft, XIV-887

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[A] Prof. P. Trolard eröffnet 1899 in Paris den „Conges d’Anatomie“ der „Association des anatomistes » mit den Worten : Le niveau des connaissance anatomiques des étudiants de médecine est déplorable … Er beendet seine Ansprache mit der deutlichen Frage nach mehr Unterrichtsstunden für die Anatomie. Die anatomische Kenntnisse sind seiner Meinung nach eine Basis für eine verantwortungsvolle und effiziente Medizin. (Trolard P., Comptes Rendus de l’Association des Anatomisties, Paris 1899; aus M.Girardin, Anatomische Realiteit omtrent het Ligament van Trolard en de Caudale Durale Inserties, Thesis 1992, Seite 6)

 

[B] Parkin erwähnt hinsichtlich der anatomischen Literatur: Although clinically important, the lumbar epidural space is inconsistently described in textbooks of both anatomy and anaesthetics. (Parkin J.B., Harison G.R., The topographical anatomy of the lumbar epidural space, Journal of Anatomy, 141, 1985, Seite 211-217)

 

[C] Nahezu 100 Jahre nach Trolard, erkennt Monkhouse, dass seit den sechziger und siebziger Jahre die Stundenanzahl des Anatomieunterrichts drastisch gekürzt wurde. (Monkhouse W.S., Anatomy and the medical school curriculum, Seite 834-835). Eine gleiche Tendenz ist ebenfalls innerhalb der Osteopathieausbildung zu erkennen. Die Begründung liegt oftmals in der beschränkten Zeit zur Ausbildung wobei die Studenten „diese Anatomie doch leicht zu hause alleine erlernen können“. Es ist vielleicht interessant in diesem Kontext zu erwähnen, dass Still behauptet:You must be thouroughly acquainted with all that is meant by anatomy – not merely by names of a few bones, muscles, … You should be familiar with at least ninety per cent. of all the human body before you enter our clinic rooms.(A.T.Still, Autobiography, Seite 152). Auf der gleichen Seite behauptet er ebenfalls: To be qualified for a profession you must have a complete training from persons who understand the science thouroughly, …Es stellt sich die Frage inwiefern der Reduktionismus hier schon seine Folgen in der Praxis zeigt.

 

[D] Es ist schon erstaunlich erkennen zu können wie bedingt die anatomische Kenntnisse z.B. der Lumbalregion ist. Eine Region in der Osteopathen aller Welt tagtäglich eingreifen ohne z.B. die so spezifische Durchblutung auf venöser Ebene zu kennen. Der Venenverlauf und dessen Relationen sind aber in den meisten Büchern entweder mangelhaft oder sogar inkorrekt dargestellt. Ganz geschweige die funktionelle Betrachtung dieser „unbekannten“ Venen (Plexus vertebralis von Breschet)! Hierauf haben in der Vergangenheit schon mehrere Autoren hingewiesen. (Batson, The vertebral vein system, Seite 195-212; Batson, The function of the vertebral veins and their role in the spread of metastasis, Seite 138-149; Herlihy W. F., Revision of the venous system, Seite 661-672; Höppner J.P., Die Symptomatologie der Lendenwirbelsäule, Natur Heilpraxis, 11/95, Pflaum Verlag, Seite 1601-1606)

 

[E] In Belgien (und wer weiß wo sonst noch) wird seit ungefähr zwanzig Jahre die Anatomie im Medizinstudium topographisch-symptomatologisch unterrichtet. Die topographische Anatomie wird somit direkt verknüpft an bestimmte Krankheits- und Symptommodulen. Dies bedeutet, dass z.B. die Anatomie des Kniegelenkes erst dann unterrichtet wird wenn auch die Symptomatologie und die verschiedenen Krankheitsbilder zu dieser Region auf dem Lehrprogramm stehen. Dies mag aus Sicht der Traumatologie als sinnvoll und effektiv erscheinen aber es teilt auch den menschlichen Körper wie ein Puzzle auf wobei die einzelnen Puzzlesteinchen ganz schön durcheinander liegen. Von einem Zusammenhang ist da gar keine Rede. Als Osteopath möchte man darüber schmunzeln jedoch sollte dieser bevor er es tut erst in seine eigene Welt schauen. Dort ist nämlich ebenfalls zu erkennen, dass die Ausbildung modulförmig aufgebaut ist. Dies muss nicht unbedingt zu einem gleichen Puzzlesteinchenchaos führen, Vorsicht ist aber geboten, es gibt genügend Beispiele. Eine Frage die sich jeder Osteopath dabei stellen könnte: inwiefern sind die osteopathischen Studienmodule mit dem ersten Prinzip der „Kirksville Consensus Declaration zu vereinen (The body is a unit; the person is a unit of body, mind and spirit)?.

 

[F] George Cuvier wird als der Begründer der vergleichend-entwicklungsgeschichtlichen Forschung gesehen. Er ist zugleich der Begründer der Paläontologie und hat sich durch sein „Règne animal“ und seine „Anatomie comparée“ fast unsterbliche Verdienste erworben. In Deutschland wurde sein Werk von Goethe und vielen anderen fortgesetzt (Prof. Dr. Fr. Kopsch, Rauber’s Lehrbuch der Anatomie des Menschen – Abteilung 1: Allgemeiner Teil, Verlag von Georg Thieme, Leipzich 1914, Seite 25). Auch hierin liegt seit längerer Zeit eine Anatomiekenntnis vergraben.

 

[G] Philosophie lässt sich am eindeutigsten wie folgt definieren: die Lehre vom Wissen, von den Ursprüngen und vom Zusammenhang der Dinge in der Welt, vom Sein und Denken (G.Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Mosaik Verlag). Viele Diskussionen, sicher mit Anhänger der reduktionischtisch-reformistischen Strömung, hinterlassen den Eindruck als würde der Begriff „Philosophie“ die Wissenschaftlichkeit der Osteopathie im Wege stehen. Es geht sogar so weit, dass wenn man auf die philosophischen Aspekte der Osteopathie hinweist, man leicht als nicht-wissenschaftlich bewertet und eingestuft wird. Nur dasjenige was in Form von Zahlen und Fakten als wissenschaftliche Begründung für die Osteopathie einen Beitrag zur „gesellschaftlichen Glaubwürdigkeit“ liefert, wird mit nahezu überbewerteten Respekt und Anerkennung emporgehoben. Aber liegen alle diese Zahlen und Fakten nicht immer in einem Rahmen wobei gerade die Philosophie sie erst eine Bedeutung gibt? Wissenschaftliche Daten sagen nur etwas über die Wahrscheinlichkeit eines Phänomens aus, die Daten sind niemals eine absolute Wahrheit welche alle Zweifel entnimmt. Also, was bedeuten schon harte wissenschaftliche Daten wenn sie nicht den Zusammenhang der Dinge in der Welt mit höherer Wahrscheinlichkeit eine Basis geben? Es ist in der Philosophie als Wissenschaft, dass die Naturwissenschaft (Physik, Chemie, Biologie, Zytologie, Histologie, Physiologie, usw.) erst richtig zum Worte kommt indem sie nach ihrer Bedeutung bezüglich des Ursprungs und Zusammenhangs gefragt wird. Man sollte den Ochsen an der richtigen Seite des Karrens setzen. Mit anderen Worten, Philosophie sollte erst recht als wissenschaftlich bezeichnet werden weil sie die naturwissenschaftlichen Daten überprüft und gegebenenfalls wo möglich verknüpft (siehe Definition Philosophie – Wahrig).

 

Bildnachweis:

 

A.T.Still, Osteopathy – Research & Practice, Coverseite

 

Literatur

 

A.T.Still, Autobiography of A.T.Still, American Academy of Osteopathy, Indianapolis, 1908

A.T.Still, Philosophy of Osteopathy, American Academy of Osteopathy, Indianapolis, 1899

Batson O. V., The vertebral vein system, THE AMERICAN JOURNAL OF ROENTGENOLOGY, Vol.78 No.2, pp.195-212, August 1957

Batson O. V., The function of the vertebral veins and their role in the spread metastasis, ANNALS OF SURGERY, Vol.112 No.1, pp.138-149, July 1940

Goethe, Maximen und Reflexionen – Naturwissenschaft, XIV-887

Herlihy W. F., revision of the venous system: The role of the vertebral veins, THE MEDICAL JOURNAL OF AUSTRALIA, Vol.1 34thyear, No.22, pp.661-672, May 31 1947

Höppner J.P., Die Symptomatologie der Lendenwirbelsäule, Natur Heilpraxis, 11/95, Pflaum Verlag, Seite 1601-1606

Monkhouse W.S., Anatomy and the medical school curriculum, THE LANCET, Vol.340, pp.834-835, OCT3, 1992

Prof. Dr. Fr. Kopsch, Rauber’s Lehrbuch der Anatomie des Menschen – Abteilung 1: Allgemeiner Teil, Verlag von Georg Thieme, Leipzich 1914.

Parkin J.B., Harison G.R., The topographical anatomy of the lumbar epidural space, Journal of Anatomy, 141, 1985

Wahrig G., Deutsches Wörterbuch, Mosaik Verlag

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